Buchhandlung Zweitbuch in Oberhausen

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Im Kopf, in meinen Träumen kannte ich sie immer schon. Gemütlich müsste sie sein, nicht zu groß, aber auch nicht winzig klein und vollgestopft, sodass man ohne die Hilfe des fachkundigen Buchhändlers nicht selbst etwas finden könnte. Sie lüde zum Stöbern ein, hätte sich mein bedingungsloses Vertrauen aber bereits erkauft, indem sie mindestens fünf meiner aktuellen Lieblingsbücher vorrätig hat. Der Buchhändler wäre unaufdringlich kompetent und könnte nahezu meine Gedanken lesen – bin ich in Plauderstimmung oder möchte ich mich heute selbst umsehen? All das wüsste er bereits im Augenblick meines Eintretens an meiner Körpersprache abzulesen. Und, last but not least, diese perfekte Buchhandlung müsste eine Mischung sein aus altmodischer und moderner Buchhandlung, denn ich möchte als launischer und spontaner Kunde meine Bücher am nächsten Tag abholen oder sie mir, wenn die Zeit knapp wäre, zuschicken lassen; ich möchte echte, nach Papier und Druckerschwärze duftende Exemplare in der Hand halten, aber ich will auch, wenn es eilt, in Sekundenschnelle ein Ebook für meinen Reader herunterladen, ohne der Buchhandlung damit zu schaden, indem ich mich vom Kindle-Format einkerkern lasse.

04blicknachhinten1Diese Buchhandlung zu finden war beinahe schon eine wahre Quest, und das, obwohl ich selbst Buchhändlerin bin! Aber ich habe sie gefunden, im Zweitbuch im Oberhausener Stadtteil Schmachtendorf. Die Buchhandlung hat die genau richtige Größe, denn es gibt neben dem Hauptverkaufsraum einen Nebenraum, der sich Mord und Totschlag widmet: die Krimikammer. Hier finden sich Regionalkrimis, rasante amerikanische Thriller, die feine englische Art zu Töten, aber auch die blutrünstigen Damen des mörderischen Gewerbes wie Meg Gardiner oder Karen Slaughter. Liebevoll eingerichtet und ausgefallen dekoriert wird hier der Wein und Cidre angeboten, was in meiner Vorstellung durchaus Sinn macht. Ein Gläschen Wein zur Beruhigung während des Lesens ist ja absolut legitim!

Im Hauptraum dominieren die hohen Regale an den Wänden, hier finden sich Ratgeber, aber auch die belletristischen Titel. Der letztgenannte Bereich ist eine wunderbare Mischung aus aktuellen Titeln und ausgesuchten Klassikern, hier habe ich bereits Baudelaire entdeckt, aber auch Perutz, Poe und Strindberg; hier kann ich überlegen, ob mir nach einem humoristischen Frauenroman zumute ist (eine Einladung, die ich meistens dankend ablehne) oder ob ich nicht doch einmal einen Blick in den neuen Schmöker von Sabine Ebert werfen soll. Und wenn ich keine Lust zu lesen habe, kann ich mir auch die Kunstwerke ansehen, die im Zweitbuch verkauft werden – Originale, wohlgemerkt, keine Drucke.
Die gegenüberliegende Seite ist ganz den fantastischen Welten gewidmet, es gibt ein Regal mit gängiger und exotischer Fantasy, daneben Märchen und ein Regal, das ganz und gar die Persönlichkeit des Inhabers widerspiegelt: die Tolkien-Ecke. Lars Baumann und das Zweitbuch sind Mitglieder der Deutschen Tolkien Gesellschaft, und wenn ich je einem Experten auf diesem Gebiet gerne zugehört habe (obwohl ich den Herrn der Ringe auch nach dreimaligem Ansetzen NICHT zu Ende gelesen habe), dann ist es dieser Buchhändler – beinahe hat er mich soweit, dass ich es doch noch einmal versuche.

Überhaupt, erzählen kann er, der Buchhändler meines Vertrauens. Vom Meer, von der Musik, von seiner Liebe zu Büchern, die nur während einer kurzen Phase seines Lebens durch die Macht der Hormone in den Hintergrund gedrängt wurde. Von der anstrengenden Renovierung des Ladens nach der Übernahme vor 5 Jahren berichtet Lars Baumann ebenso eloquent wie von seinen treuen Stammkunden. Das Besondere für mich an diesem Buchhändler ist, dass er, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen, „kein Bildungsfanatiker“ ist. Als Buchhändler hat man einen Bildungsauftrag, ja. Aber muss man nicht vielmehr auch die Freude am Lesen vermitteln, und sei es die Freude an der Lektüre der „Shades“ oder an „Fear Street“? Wer die „Shades“ liest, landet vielleicht einmal bei de Sade, kommt von dort zur Französischen Revolution und entdeckt, dass Bücher lesen tatsächlich gleichzusetzen ist mit Welten entdecken!

Apropos „Fear Street“, eine Kinder- und Jugendbuchecke mit ausgewählten Titeln gibt es natürlich auch – zentral im Mittelbereich, mit den Kinderbüchern auf Kinder-Griffhöhe. Zudem engagiert sich Herr Baumann als Lesepate, er unterstützt den Sponsorenlauf der Grundschule in seinem Stadtteil und ist außerdem auch noch Zeitungspate im Rahmen des ZEUS-Projektes überregionaler Tageszeitungen. So müssen Buchhandlungen sein: eine kulturelle Anlaufstelle in ihrem Viertel, ohne Lektüre zu zensieren oder hochnäsig zu urteilen „So etwas führen wir nicht.“

Diesen Satz bekam ich übrigens tatsächlich einmal zu hören, als ich Agatha Christies „Die Tote in der Bibliothek“ kaufen wollte, ebenso wie „Was wollen SIE denn damit?“, als ich ein Buch von Wilhelm Raabe bestellen wollte. Wie man sich denken kann, habe ich diese Buchhandlungen nie wieder betreten. Aus diesem Grund ist das Zweitbuch meine Lieblingsbuchhandlung. Das würde mir dort nie passieren, selbst wenn ich ab sofort nur noch Nackenbeißer lesen wollte.

(Bericht von Gunda Plewe, bloggt auf Gunda liest)

Buchhandlung Zweitbuch
Dudelerstr. 19
46147 Oberhausen

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