ocelot in Berlin

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Seit einem Jahr schnurrt es in der Brunnenstraße, denn dort hat eine besondere Katze ihren Platz gefunden. In der Wildnis heißt sie Ozelot, in der europäischen Großstadt verzichtet sie auf die Großschreibung und auf das z, nennt sich ocelot. In Mittel- und Südamerika jagt sie vorwiegend Nagetiere und Kleinsäuger, in Berlin bevorzugt sie Bücher. Deshalb schmückt sich ocelot auch mit einem Zusatz: not just another bookstore. Das klingt nach einem Märchen und in gewisser Weise ist es das auch. ocelot, not just another bookstore ist ein inspirierender und herzlicher Ort, den ich jetzt kennengelernt habe und ja – ich habe es tatsächlich gehört, das glückliche Schnurren, und viele schöne Dinge gesehen, von denen ich euch berichten möchte.

Samstagabend, 8. Juni. Vor der Buchhandlung sitzen Freunde und Fans des Ladens, halten Gläser in den Händen und plaudern. Heute ist ein besonderer Tag, denn ocelot, not just another bookstore feiert seinen ersten Geburtstag. Ab und an rattert eine Tram vorbei und zerfetzt für den Bruchteil einer Sekunde die Gespräche. Vom Park weht der Wind Trommelschläge hinüber, aus dem Bauch der Buchhandlung kommen groovige Beats, die Sir Q Late von Golden Age auf seinem Plattenteller auflegt. Am linken Schaufenster tanzen bunte Tasten und verkündigen: ein jahr alt und kann schon lesen. Ich grinse, nippe an meinem Sektglas und gehe hinein in den Laden.

ocelot_vitrine

Auf dem ersten Blick sieht ocelot, not just another bookstore eher aus wie ein Café und nicht wie eine Buchhandlung. So empfängt mich zunächst eine Glasvitrine mit kleinen Snacks, während im Hintergrund die Kaffeemaschine köstlichen Duft verströmt. Links davon erstreckt sich eine lange Reihe mit Bänken und Tischen, die eine Linie ergeben. Wenn man dort sitzt, kann man bestens in den 265 Quadratmeter großen Laden schauen oder das Treiben draußen beobachten. Aber auch zum Lesen bietet sich dieser Platz ideal an. Kaffeetrinken und Lesen – kann es Schöneres geben? Dann beim genauen Blick entdecke ich sie – die vielen bunten Buchrücken und -cover, die mich anlächeln.

Hier hat jemand etwas ganz Besonderes geschaffen, hier stecken viel Herzblut und Leidenschaft drin, jeder Winkel ist klug durchdacht, jedes i-Tüpfelchen sitzt an der richtigen Stelle. Das sind die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf schießen. „Mir war klar, wenn ich es mache, dann mache ich es richtig. Schon aus verschiedenen Gründen, weil es potenziell die Möglichkeit hat, dass es erfolgreich wird, und ich es so viel spannender finde als nur einen kleinen Laden aufzumachen“, sagt der Ladeninhaber Frithjof Klepp und zeigt mir links an der Kasse ein kleines eingerahmtes Foto, auf dem das Konzert-Café Roland abgelichtet ist, ein Gruß aus der Vergangenheit.

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Vor knapp zwei Jahren eröffnete der Buchhändler in der Brunnenstraße ocelot, not just another bookstore. Seitdem ist einiges passiert, aber am Ziel angekommen ist er mit seinem fünfköpfigen Team noch lange nicht. „Ich habe wahnsinnig große Lust, man kann an tausend Schrauben drehen und man hat viele Möglichkeiten“, erzählt er. Das gefällt den Autoren und die Verlage sind auch begeistert. So schmiedet der Buchhändler euphorisch weitere spannende Pläne.

Im Ladennamen steckt „not just another bookstore“. Ein Versprechen, das eingehalten wurde, sowohl im Bücherangebot als auch in der Einrichtung. Dieser Laden fällt auf, er ist erfrischend anders. Das moderne Design spricht mich sofort an. Der weiße kühle Boden bietet einen angenehmen Kontrast zum dunklen, Gemütlichkeit verströmenden Holz der Regale. An der unverputzten Decke hängen schwarzen Strahler, die ein warmes Licht erzeugen.

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Ich lasse mich durch den freundlichen, weitläufigen Laden treiben und genieße bewusst jeden einzelnen Schritt. Vereinzelt stehen Leute vor den Regalen und blättern in Büchern. Die Atmosphäre ist wunderschön, dass ich sie am liebsten aufs Papier malen möchte. Meine Augen wandern aufmerksam durch den hellen großzügigen Raum, flattern wie Schmetterlinge hin und her. Voller Entzücken lächle ich über die ungewöhnlichen Regalbeschriftungen: Lila Nashörner, Kinder- und Jugendbücher, Was ist Kunst? Kunst und Künstliches, Sequenzen, Comics. Graphic Novels – stehen über den Regalen. „Die Abteilungen sollten anders heißen. Dann haben wir uns ziemlich schnell gesagt, wir holen uns einen zusammenfassenden Begriff, der das beschreibt, und dann darunter noch mal klarer, was es ist. Wir wollen nicht verrätseln“, berichtet Frithjof.

Zwischen den Regalen hängen Bilder, Fotos oder Zeichnungen. In der Ladenmitte liegen auf weißen Holztresen schöne, exklusive Bildbände. „Die Lage des Ladens fordert eine gute Auswahl an Kunst- und guten Bildbänden“, erzählt Maria-Christina Piwowarski. Doch das Grundgerüst, auf dem der Laden fuße, sei die Belletristik. „Wir haben eine gute belletristische Auswahl“, sagt die Buchhändlerin. Das kann ich nur bestätigen. Neben bekannten Autoren wie David Mitchell oder Haruki Murakami entdecke ich eine Vielzahl von mir bislang unbekannten Verlagen. Auch einzelne Bestseller wie „Shades of Grey“ stehen im Regal. „Wir stellen nicht nur eine Auswahl an Büchern, die wir alle toll finden“, sagt Maria-Christina. Exakt diese Mischung zeichnet die Belletristik bei ocelot, not just another bookstore aus.

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Hochwertige Titel wie die Kein & Aber Gesamtausgabe von Truman Capote oder das riesige Taschen-Buch DC Comics sind in einer Glasvitrine sicher verschlossen. Lieblinge, Schätze zum Teilen steht oben drüber. Eine großartige Schatzschatulle zum Bestaunen und Wunschzettelfüllen. Gemütliche Sitznischen verführen an verschiedenen Stellen, sich hinzusetzen und in die Bücher hineinzulesen. Von der Kinderbuchecke aus kann ich direkt in den Innenhof schauen und entdecke den Eingang zur Bibliothek. „Mit der Bibliothek nebenan ist das ein total befruchtendes Klima“, erzählt Maria, „die Mitarbeiter kaufen sich morgens bei uns einen Kaffee. Leute, die ein vergriffenes Buch haben wollen, schicken wir rüber. Umgekehrt schicken sie uns ihre Leute, wenn die ein Buch verschusselt haben.“

Besondere Zeitschriften wie „Missy“, „zenith“ oder das jüdische Magazin „Aufbau“ zählen genauso zur Angebotspalette wie DVDs, Hörbücher und hochwertige Kochbücher. Im Bereich der englischen Bücher sehe ich auch zauberhafte Kinderbücher wie „The red shoes“. Besonders gut sortiert ist die Sachbuch-Abteilung, die Frithjof persönlich sehr wichtig ist: „Ich war mir sicher, dass es hier im Umfeld genügend Leute gibt, die sie sich dafür interessieren“, sagt der Inhaber. Wer mag, findet gerade aus den Bereichen Geisteswissenschaften, Geschichte und Politik, kritische politische Literatur und Philosophie eine große Auswahl.

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Freunde von Graphic Novels werden hier ebenfalls fündig. Auch die kleinen Leser haben hier ihr Reich und eine berühmte Schutzpatronin: Astrid Lindgren blickt von einem Poster direkt in das liebevoll gestaltete kleine Kinder- und Jugendbuchreich. Ich lasse mich auf die weiche kleine Sitzecke fallen, lehne mich an die grauen Kissen und blättere in den drei Büchern, die mir Maria auf meine Anfrage hin mit großer Begeisterung empfohlen hat.

Ich schlage „Die Manon Leseaut von Turdej“ auf und lese die ersten Zeilen. Gerade, als ich mich weiter darin vertiefen möchte, raschelt das Mikrofon und Frithjof kündigt die Lesung mit Rabea Edel an. Das Tisch-Bank-Arrangement am Eingang hat sich in eine kleine Zuschauerreihe verwandelt, die Gäste sitzen bereits auf den Bänken und warten. Draußen rattert wieder die Tram vorbei, als Frithjof seine persönliche Rede beginnt. Menschen schauen neugierig durch die Fenster, die Trommeln im Park wummern immer noch, doch an diesem Ort schwebt eine besondere Stille, während kurze Zeit später die Autorin ihr Buch aufklappt und den ersten Satz aus ihrem Roman „Ein dunkler Moment“ vorliest. Zwischen die Sätze mischen sich plötzlich zarte Vibrationen und ich weiß, die Wildkatze ist glücklich, genau wie ich.

(Bericht von Simone Finkenwirth, Buchhändlerin und Bloggerin bei Klappentexterin)

ocelot- not just another bookstore
Brunnenstr. 181
10119 Berlin

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2 Gedanken zu “ocelot in Berlin

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